MS = Multiple Sklerose

Multiple Sklerose   =  Encephalomyelitis disseminata (E.D. , klinisch)

Begriffsdefinition E.D.

Der Ausdruck Encephalomyelitis disseminata (E.D.) leitet sich davon ab, dass Entzündungen (-itis) im Bereich des Gehirns (Encephalon) und des Rückenmarks (Myelon) verteilt (disseminiert) auftreten.

 

Was versteht man unter der primär progredienten MS (PPMS)?

Verlaufsformen der Multiplen Sklerose (MS)

In der Regel verläuft eine Multiple Sklerose in Schüben, zwischen denen längere beschwerdefreie Intervalle liegen. Man spricht dann auch von einer schubförmig remittierenden MS (Relapsing Remitting MS)-RRMS.

Die Erkrankung beginnt schubförmig, geht dann aber in eine Phase der kontinuierlichen Verschlechterung, mit oder ohne Schübe, über.
Sekundär progrediente MS (Secondary Progressive MS)- SPMS.

Bei etwa 10-15% aller Menschen mit Multipler Sklerose verläuft die MS dagegen nicht in Schüben, sondern zwar langsam, aber kontinuierlich fortschreitend. Dieser Verlauf wird primär progrediente MS genannt (Primary Progressive MS)- PPMS.

Im Gegensatz zum schubweisen Verlauf, bei der die neurologischen Probleme während des Schubes erheblich sein können, nach dem Schub aber häufig wieder komplett abklingen, ist das Fortschreiten bei primär progredienter MS zwar deutlich langsamer und „unauffälliger“, allerdings kommt es nicht mehr zur Rückbildung der einmal entstandenen neurologischen Schäden.

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Ganz abgesehen vom Fehlen von Schüben und Remissionen sowie dem meist späteren Beginn findet sich noch ein weiterer Unterschied zur remittierenden MS. Diese tritt bei Frauen etwa doppelt so häufig auf wie bei Männern. Die PPMS ist dagegen fast gleichmäßig auf beide Geschlechter verteilt. Gründe für diese Unterschiede sind nicht bekannt.
Charakteristisch für die PPMS ist weiterhin, dass sie in der Mehrzahl der Fälle (ungefähr 85%) mit Gehstörungen beginnt. Anfangs fällt beispielsweise nur das Treppensteigen etwas schwerer oder es kommt zum gelegentlichen Stolpern. Wegen dieser anfänglich eher geringfügigen Beschwerden wird meist sehr spät ein Arzt oder ein Neurologe aufgesucht. Mit der Zeit entwickelt sich aus diesen anfänglichen neurologischen Problemen eine fortschreitende Steifigkeit beider Beine, die sogenannte spastische Paraparese.
Seltener gibt es bei der PPMS auch andere erste Symptome wie eine sich zunehmend entwickelnde Halbseitenschwäche, die manchmal zur Verwechslung mit einem Schlaganfall führen kann. Als weitere Erstsymptome können ein unsicherer schwankender Gang oder in seltenen Fällen eine abnehmende Sehkraft (Visusschwäche) auftreten. Trotzdem bleibt das häufigste Symptom der PPMS die über Jahre langsam fortschreitende, unaufhaltsame Verschlechterung des Gehens. Der Grund hierfür ist einfach: Die PPMS manifestiert sich offenbar bevorzugt im Rückenmark und weniger im Gehirn. Entsprechend sind neben der zunehmenden Gehverschlechterung oft auch Blase, Darm und Sexualfunktionen beeinträchtigt. Dagegen geht die PPMS praktisch nie mit ausgeprägten neuropsychologischen Defiziten, wie Konzentrations- und Gedächtnisstörungen, einher.

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Aus Befund MS 1/2010

Primär chronisch-progredienter Verlauf

(im Englischen: primary progressive). Bei diesem Verlauf gibt es nur seltene Phasen, in denen sich einmal entstandene Symptome zumindest teilweise wieder zurückbilden.

Dieser Verlaufstyp unterscheidet sich von der primär schubförmigen MS in mehrfacher Hinsicht. So sind die Betroffenen bei Erkrankungsbeginn meist älter als diejenigen mit einer schubförmigen Multiplen Sklerose. Frauen sind bei primär chronisch-progredientem Krankheitsverlauf in etwa gleich häufig betroffen wie Männer. Die im Kernspintomogramm nachweisbaren Herde sind zumeist kleiner und weniger zahlreich, auch nehmen sie wohl eine geringere Menge Kontrastmittel auf. Vermutlich liegen der primär progredienten MS andere immunologische und feingewebliche Vorgänge als der schubförmigen MS zugrunde.

Eine Unterscheidung der einzelnen Verlaufsformen der MS ist noch aus einem anderen Grund wichtig. Die vielfältigen Studien mit Beta-Interferonen, Glatirameracetat, Mitoxantron u. a. hatten zum Ergebnis, dass diese Medikamente nur beim schubförmigen Verlauf eine eindeutige Wirksamkeit zeigen, z. T. auch beim sekundär chronisch-progredienten Verlauf, allerdings nur, wenn hierbei noch Schübe auftreten. Insbesondere beim primär chronisch-progredienten Verlauf konnte ein positiver Effekt auf die Entwicklung neuer Symptome leider nicht nachgewiesen werden, sodass die Medikamente hierfür auch nicht zugelassen sind. Die Folge dieser Erkenntnis ist leider, dass Ihnen Ihr Neurologe für diesen Verlaufstyp auch keine eindeutige Therapieempfehlung geben kann.

Wie bereits erwähnt, wird die langsame und stetige Zunahme einzelner Krankheitssymptome in den späteren Krankheitsstadien ganz überwiegend der fortschreitenden Degeneration zugeschrieben, also dem langsamen Abbau von Nervenfasern und -zellen. In dieser Phase der MS wird daher die Behandlung der einzelnen Symptome immer wichtiger. Bislang nämlich stehen leider keine Medikamente zur Verfügung, die diesen langsamen Verlust von Nervenfasern wirksam aufhalten könnten.

Quelle: Prof. Dr. Thomas Henze